Es gibt Menschen, die wirft so leicht nichts aus der Bahn. Sie sind mit einer schier unerschöpflichen Energie gesegnet und belastbar wie ein alter Eichenbalken.
Ein Teil von mir ist so. Ich habe ein breites Kreuz, ich bin voller Tatendrang, ich habe immer irgendwelche Ideen und ständig etwas zu tun.
Aber es gibt auch noch einen anderen Teil, einen, der sich nur ganz selten mal zu Wort meldet, den Teil von mir nämlich, dem das alles zu viel ist und der dann irgendwann die Notbremse zieht.
Heute kann ich sagen, ja, mir geht es gut, ich bin wieder fit, es zwickt nicht mehr in mir drin, weder in der Seele noch im Körper, aber es hat doch eine Weile gedauert.
Und heute, da es mir wieder gut geht, möchte ich von einer Begebenheit berichten, die mich zwischendurch ziemlich runtergezogen hat.
Da war ich nun, seit Wochen zuhause, den täglichen Kampf mit mir und den Beschwerden kämpfend, mit guten und ziemlich schlechten Tagen, aber glücklicherweise mit einem sehr guten Arzt und, fast noch wichtiger, mit enormem Rückhalt durch meinen Mann. Trotz aller Anstrengungen und meiner Ungeduld mit mir selbst überwogen die schlechten Tage, so dass ich lange nicht arbeiten gehen konnte, somit aus der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber fiel und die Krankenkasse auf den Plan trat.
Das geschah auf eine Weise, die mich sprachlos machte.
Ich saß eines Nachmittags (in der 7. Krankheitswoche) auf dem Sofa, da klingelt das Telefon und eine Sachbearbeiterin meiner Krankenkasse meldet sich. Ich sei ja nun schon eine Weile krank, was denn da los wäre. Der medizinische Dienst (bei dem ich in der 3. Krankheitswoche war, da mein Arbeitgeber bei der Krankenkasse Zweifel bezüglich meiner Arbeitsunfähigkeit angemeldet hatte) habe mich doch untersucht und festgestellt, dass ich zu Zeitpunkt X wieder arbeitsfähig sein würde. Ich sagte, dass ich auch gerne schneller wieder auf die Beine kommen würde, dass es aber noch nicht so weit sei und dass das bei der Untersuchung durch den medizinischen Dienst auch klar war, dass eine Prognose schwierig wäre.
Die Sachbearbeiterin warf mir dann mehr oder weniger Simulantentum vor, deutete an, mein Hausarzt habe ja wohl keine Ahnung, ich solle dringend zu einem Spezialisten, wobei mir ja hoffentlich klar sei, dass es lange Wartezeiten gäbe, und warum ich nicht schon längst bei einem Spezialisten gewesen sei und dass es ja außerdem nicht anginge, dass ich immer noch zuhause sei. Dann drohte sie mir noch mit Einschränkung des Krankengeldes, und erst, als ich am Telefon eine Panikattacke hatte und in Tränen ausgebrochen war, gab sie sich versöhnlich und meinte, sie mache doch nur ihre Arbeit, wolle nur helfen und würde mir die Formulare jetzt zuschicken.
Liebe Krankenkasse, ich weiß wohl, dass eine lange Arbeitsunfähigkeit für niemanden schön ist, auch nicht für Dich, denn Du musst dann Geld bezahlen. Ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die das System ausnutzen. Und ich habe bis zu einem gewissen Grad Verständnis dafür, dass Du wissen möchtest, wer unter Deinen Versicherten das System ausnutzt. Aber dass Du Deine Versicherten heftiger bedrängst als der typische Zeitschriftenaboverkäufer, und das gerade dann, wenn jemand mit psychischen Problemen kämpft, das kann doch nicht zielführend sein.
Spart es denn Krankengeld, wenn ich nach einem solchen Anruf erst einmal Stunden brauche, um wieder einigermaßen klar denken zu können? Wenn ich auf meinem Genesungsweg um Tage, wenn nicht Wochen zurückgeworfen werde, weil ich mich fühle wie der letzte Depp, der wohl nichts besseres zu tun hatte, als absichtlich krank zu werden?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Vorgehen hilfreich ist. Schon gar nicht, wenn solche Anrufe auch bei Leuten gemacht werden, denen es in dem Moment richtig dreckig geht. Ich hatte Glück, ich war zum Zeitpunkt des Anrufs gerade ziemlich stabil und mein Mann war zuhause und konnte mich direkt auffangen, aber was ist mit Menschen, bei denen das nicht der Fall ist?
Ich bin heilfroh, dass es mir wieder gut geht. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben müssen.
Ach ja, meine Sachbearbeiterin und ich sind inzwischen sehr höflich miteinander, nachdem ich ihr bei ihrem zweiten Anruf deutlich gesagt hatte, dass ich keine Lust auf solche Spielchen hätte. Aber es hätte einfach nicht sein müssen. Und der Spezialist, bei dem ich in Behandlung war, sagte nur, diese Kasse kenne er, die würden die Versicherten eher kränker denn gesünder machen.
Ich wünsche mir und allen, denen es ab und zu schlecht geht, dass das nicht zur Regel wird.
Wenn du davon erzählst, finde ich es immer noch einen echten Hammer.Ich wünsche dir, dass dir so was nicht noch einmal passiert, und dass du immer die Kraft haben mögest, damit umzugehen. Und ich wünsche dir immer Menschen, die dir dabei helfen.