Skandal?

Was ist ein Skandal? Der Duden sagt, es sei ein „Geschehnis, das Anstoß und Aufsehen erregt“. [http://www.duden.de/rechtschreibung/Skandal]

Dass man herausgefunden hat, dass Fleisch falsch deklariert wurde, und dass den Verbrauchern ein X für ein U oder ein Pferd für ein Rind vorgemacht wurde, ist durchaus etwas, das aufregt. Das ist ein Fehler, der nicht passieren sollte. Ernsten Schaden werden die Lasagneesser wohl nicht genommen haben, und wenn ein wenig Zeit vergangen ist, wird sich kaum ein Verbraucher an seine neuen Vorsätze mehr erinnern und wieder beim Discounter kaufen anstatt beim Metzger um die Ecke – sofern überhaupt vorhanden.

Aber über Fleisch will ich gar nicht schreiben. Ich stolpere über die Verwendung des Wortes Skandal im Zusammenhang mit den pferdehaltigen Fertiggerichten. Es ist eine dumme Sache, aber ist es tatsächlich ein Skandal?

Viel skandalöser, wenn man bei dieser Wortfamilie bleiben möchte, ist es für mich
– dass es hier offenen, und, fast noch schlimmer, versteckten Alltagsrassismus gibt,
– dass man blöd angemacht wird, wenn man auf diesen Alltagsrassismus hinweist,
– dass man um jeden Millimeter Inklusion hart kämpfen muss,
– dass sich „Kollegen“ am Arbeitsplatz gegenseitig die Hölle heiß machen anstatt einfach nur ihren Job, und dafür die Schuld meist bei anderen suchen,
– dass Menschen sich um religiöse Überzeugungen kloppen und meinen, das sei richtig,
– dass Kinder aus als schwierig empfundenen Familien gleich einen Stempel aufgedrückt bekommen, selbst „schwierig“ zu sein,
– dass „der/die ist doch nicht normal“ zu sagen, als „normal“ und gut empfunden wird,
– dass von der Sprachbeherrschung auf die Intelligenz eines Menschen geschlossen wird,
– dass Unternehmen gleichzeitig Millionen in Dinge investieren und Mitarbeiter entlassen,
– und dass ich über all das überhaupt schreibe(n muss).

Mag sein, dass man mich vielleicht nun für einen empfindlichen Jammerlappen hält oder für einen nervigen Gutmenschen, aber ich kann mir vorstellen, dass viele meiner Leserinnen und Leser dieser Liste etwas hinzufügen können, oder gar eine eigene Liste haben, und ich wünsche mir, dass ich eines Tages sagen kann, dass wenigstens ein Punkt von der Liste verschwunden oder so unscheinbar geworden ist, dass er nicht mehr so doll drückt wie heute.

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