Aufstehen oder liegenbleiben

Morgens, wenn der Tag anbricht und der Wecker, der einem selten eine Wahl lässt, nicht klingelt, stellt sich für den ein oder anderen die Frage, ob man aufstehen solle oder lieber liegenbleiben.
Doch darum soll es mir heute gar nicht gehen.
In den letzten Tagen las ich häufig schlaue Sprüche, die mir sagen, dass hinfallen keine Schande sei, aber liegenbleiben schon.
Manchmal kann so ein Satz hilfreich sein.
Manchmal kann so ein Satz aber auch falsch sein.

Ich frage mich mitunter, ob das liegenbleiben tatsächlich so verkehrt ist.
Gut, wir kennen vermutlich alle diesen Typ Mensch, der häufig jammert, stets das Schlimmste erwartet und wenn es dann eintrifft, im eigenen Leid verharrt und gar nicht den Anschein erweckt, als sei er an konstruktiven Lösungen interessiert. Das meine ich nicht.

Manchmal fällt man, und es tut richtig weh. Aufstehen geht dann nicht gleich. Aufstehen geht vielleicht auch nicht morgen, sondern erst viel später.
In solchen Situationen braucht man niemanden, der einem sagt, das liegenbleiben sei falsch.
In solchen Situationen braucht man jemanden, der sich mit auf den Boden setzt und einfach nur da ist. Ohne Ratschläge, ohne schlaue Sätze, vielleicht mit einem Taschentuch, einem Pflaster oder einer Tasse Tee.

Es auszuhalten, dass jemand gefallen ist und nicht gleich wieder aufsteht, fällt vielen Menschen schwer. Es scheint viel leichter, demjenigen möglichst schnell auf die Beine zu helfen, damit das Leben weiter geht, weil man doch auch nur die Krone richten muss nach dem Sturz, und dann wieder lacht.

Ja, manchmal braucht man, wenn man unten ist, auch eine mehr oder weniger deutliche Aufforderung, es mal mit dem Aufstehen zu probieren.
Manchmal ist liegenbleiben aber wichtig, um wieder zu Kräften zu kommen.

Wann liegenbleiben, aufstehen, Hand halten oder in den Hintern treten an der Zeit ist, ist für jeden unterschiedlich. Genau hinschauen und zuhören und nicht direkt in den Ratschlagsmodus zu verfallen ist aus meiner Erfahrung ein guter Anfang.

5 Comments

Filed under Sammelsurium

5 Responses to Aufstehen oder liegenbleiben

  1. Danke für diesen guten Beitrag. Gerade in meinem Freundeskreis habe ich ein paar Menschen, die denken, dass das „in den Hintern treten““ die einzige und beste Lösung in jedem Falle ist. Und manchmal sind sie ganz erstaunt, wenn sie feststellen, dass es das selbst für sie nicht ist. Ich glaube, vor Stillstand haben viele Menschen Angst, vielleicht auch weil sie fürchten, sich dann nie wieder erheben zu können.

  2. Freut mich, dass Dir der Beitrag gefallen hat, lieber Jens.
    Es ist oft eine Gratwanderung, wann man jemanden zum Aufstehen ermuntert und wann jemand noch Zeit braucht. Aber ich kenne es auch, dass die Angst, nicht mehr hochzukommen, da ist, sowohl beim „Helfer“ als auch bei dem, der grad unten ist. Es wird nur nicht so oft darüber gesprochen.

  3. Ich finde den Beitrag teils richtig, teils problematisch. Richtig ist, dass Menschen keine Maschinen sind, die immer funktionieren müssen. Sehr richtig ist, dass jede und jeder einen mitfühlenen Mitmenschen braucht, der sich zu ihm setzt und ihn tröstet, bis es wieder gut ist.
    Schwierig finde ich, dass das Aufstehen als Ziel möglicherweise aus dem Blick geraten könnte. Meine Erfahrung ist, dass eine Weile Zuhören und Mitfühlen gut sein kann, dass aber irgendwann auch der sanfte Druck nötig wird, wenn sich jemand im Selbstmitleid suhlt und sich vom Zuspruch der anderen nährt.
    Leidensgewinn ist letztlich kein Gewinnn. Mitfühlen heitß auch, die Gefühlstaubheit des Anderen erkennen und ihm das Gefühl vermitteln: „Zusammen werden wir es schon schaffen!“
    Hab herzlichen Dank für Deine Gedanken!
    fjh

    • Hallo Franz-Josef,

      auch Dir vielen Dank für Deinen Beitrag!
      Ich stimme Dir zu, dass „rumhängen“ und „absichtlich“ leiden nicht das Ziel sein sollte, und dass es in solchen Momenten durchaus sinnvoll sein kann, dass jemand mal sanft oder auch kräftiger daran zu erinnern, dass es im Leben mehr gibt als den Fußboden oder das Loch, in das man sich gesetzt hat. Nur sollte man dabei halt trotzdem aufpassen, welche Maßstäbe man anlegt. Wenn ich von mir ausgehe und von anderen ein ähnliches Tempo verlange, liege ich manchmal ordentlich daneben 😉

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