„Du bis ssu stark fur eine Frau.“ sagte vor Jahren einer meiner WG-Mitbewohner zu mir, als ich, die Musikstudentin, das Telefon reparierte, was ihm, dem E-Technik-Studenten, nicht gelingen wollte. Sein Frauenbild aus dem heimischen Dorf irgendwo in Afrika war ein ganz anderes als das, was er in unserer WG kennenlernte, und auch wir lernten einiges dazu in den wenigen Monaten, in denen wir Wohnzimmer und Küche teilten.
Zu stark, stark genug, schwach oder zu schwach, woran macht man das eigentlich fest?
Im Grunde ist es ja ganz oft eine Frage der Perspektive. Wo stehe ich, wie erlebe ich eine Situation, wie erlebe ich mich in dieser Situation?
Ich wirke auf viele Menschen ziemlich stark und belastbar. Und in vielen Bereichen bin ich es auch. In manchen jedoch überhaupt nicht. Und das kann für Menschen, die nur meine starke Seite kennen, verwirrend oder gar unrealistisch sein. Gerade im Moment, wo ich nicht hundertprozentig fit bin, kommt es immer wieder dazu, dass mir jemand sagt, er könne überhaupt nicht verstehen, was mein Problem sei, ich solle mich doch nicht so hängenlassen, ich würde mich doch sonst auch nicht so anstellen. Ich weiß, dass es schwierig sein kann, Schwäche und die eigene Hilflosigkeit als Außenstehender einfach mal zuzulassen, deshalb versuche ich, mir solche Aussagen nicht zu Herzen zu nehmen, aber manchmal treffen sie mich doch.
Gäbe es einen Schalter, den ich einfach nur umlegen müsste und alles wäre wieder wie vor drei oder vier Monaten, dann würde ich das möglicherweise tun. Da es diesen Schalter aber nicht gibt, kann ich nur jeden Tag ein Stück weitergehen auf meinem Weg und freue mich über jeden Moment, in dem ich einfach so sein kann, wie ich im Moment bin, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass es mir nicht gut geht.
Ich neige dazu, schnell zu sein. Diese Eigenschaft ist oft hilfreich, aber für Dinge, die Zeit brauchen, ziemlich hinderlich. Da mache ich gerade wieder einen großen Lernprozess durch, und vor allem merke ich eines, dass ich nämlich gleichzeitig stark und schwach sein kann und dass beides zu mir gehört.
Dass ich Menschen in meinem Leben habe, die mir das zugestehen und mich auf meinem Weg begleiten, macht mich sehr froh.
Ich wünsche allen, die auch ab und zu aus dem Rahmen fallen oder nicht in Schubladen eingeordnet werden können oder wollen, dass sie etwas finden, was ihnen Kraft gibt. Kraft, um gleichzeitig stark und schwach zu sein, so wie es gerade passt.