Selbstgesetzte Grenzen

Ich bin keine große Sportlerin. Ich wandere gerne, ich fahre gerne Rad, ich schwimme gerne, aber das alles betreibe ich nicht ernsthaft, d.h. ich trainiere nicht regelmäßig, sondern ich mache es immer dann, wenn ich gerade Lust darauf habe.

Mitunter schaue ich aber gerne Sportlern zu, sei es live oder im Fernsehen. Ich habe da keine Präferenzen, was die Sportart angeht, auch wenn ich mit manchen Sportarten wenig anfangen kann und da recht schnell umschalte, wenn ich im Fernsehen drüber stolpere. Mit einer Ausnahme: Olympische und paralympische Spiele. Wenn ich Zeit habe und Wettkämpfe im Fernsehen übertragen werden, schaue ich zu. Egal, welche Sportart dran ist.

Dieses Jahr war wieder Olympia, und die Paralympics laufen gerade. Ich habe noch keine Wettkämpfe gesehen, aber ich verfolge die Berichterstattung und Kommentare im Netz.

Und da stolperte ich in diesen Tagen über einige Sätze in Diskussionsforen, die mich sehr nachdenklich gemacht haben.
Geschrieben wurde da z.B. „Ich schaue das nicht, das ist doch kein Sport“; „Müssen die das denn machen, das ist doch viel zu anstrengend“; „Das sind keine Menschen, sondern Cyborgs“ (gesagt über beinamputierte Läufer); „das beeinträchtigt mein ästhetisches Empfinden“.

Erst war ich sprachlos. Dann wütend. Und dann haben sie mir leid getan, die Menschen, die sich und ihrer Wahrnehmung solch enge Grenzen setzen. Natürlich, niemand muss sich Sportevents anschauen, wenn es ihn nicht interessiert. Aber welches Menschenbild, welches Bild in Bezug auf Hindernisse, Grenzen und Lösungen steckt hinter solchen Kommentaren? Wir werden alle (hoffentlich) einmal älter. Nicht jeder wird im Alter hübscher. Nicht jeder bleibt immer beweglich. Soll man sich deshalb verstecken? Weil irgendwo jemand sein könnte, dessen ästhetisches Empfinden gestört wird?

Ich meine, nein. Sicher, es gibt Grenzen. Manche lassen sich überwinden, andere nicht. Doch die Grenzen, die wir im Kopf haben, die brauchen wir nicht. Wenn ich offen bleibe für neue Wahrnehmungen, für andere Lebensentwürfe, für Ungewohntes, dann kann mir das auch für meine eigene Geschichte Impulse und Energie geben. Und das ist etwas, was ich für mich wichtig finde. Viel wichtiger als Schubladen, Vorurteile und Zuschreibungen.

Ich mag meine Komfortzone auch nicht immer verlassen. Aber ich bin jedes Mal stolz auf mich, wenn ich mich auf etwas Unbekanntes und Ungewöhnliches eingelassen habe. Und ich kann mich für andere freuen, besonders für Sportler, die erfolgreich sind, egal, ob sie nun gehend, schwimmend, rollend oder sitzend ihren Sport machen.

Kommunikation kann Grenzen überwinden, vor allem die Grenzen in den Köpfen. Vielleicht komme ich ja auch noch mit den Menschen ins Gespräch, deren Kommentare mich so nachdenklich machten.

2 Comments

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2 Responses to Selbstgesetzte Grenzen

  1. Es ist nicht zu fassen, solche Kommentare gibt es immer noch? Ich fürchte, ich blende solche Kommentare einfach aus, zumindest bekomme ich sie nicht mit. Ich bim mir aber nicht sicher, ob du mit Menschen, die so denken, wirklich ins Gespräch kommen kannst.

  2. Ich fürchte ja, jeder von uns hat irgendwo seine Vorurteile. Allerdings sind die Kommentare richtig blöd, weil die Leute ja sehen können, wie gern die Sportler ihren Sport betreiben. Was maßen sie sich an, zu beurteilen, ob ihnen das zu schwer fällt oder so etwas. Da verstecken sie ihre eigene Angst vor möglichen Behinderung hinter Gutmenschentum, diese Angst, die oft die Ursache für Überheblichkeit und Ablehnung ist. An guten Tagen kann ich das so sehen.

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