Category Archives: Damals

Muttertag

Ich habe heute nicht Muttertag gefeiert.
In meiner Familie wurde der Tag auf Wunsch meiner Mutter nie so recht begangen. Natürlich haben wir in Kindergarten und Grundschule putzige Sachen zu Muttertag gebastelt und auch verschenkt, aber was mir wesentlich mehr in Erinnerung geblieben ist, ist, dass meine Mutter stets sagte:
„Ich möchte nicht bloß einmal im Jahr von meinen Aufgaben im Haus entlastet werden. Ich möchte nicht bloß einmal im Jahr liebe Kinder haben, die ohne zu murren den Müll rausbringen. Ich möchte nicht bloß einmal im Jahr einen Blumenstrauß. Ich möchte, dass wir uns alle das ganze Jahr über gegenseitig unsere Wertschätzung zeigen und so miteinander umgehen, als wäre jeden Tag ein besonderer Tag.“

Ich gebe zu, das ist uns nicht immer gelungen. Wir waren nicht immer brave Kinder, aber im Großen und Ganzen hat es doch recht gut geklappt, das mit der Wertschätzung. Und ich bin meiner Mutter und auch meinem Vater sehr dankbar, dass sie mir das beigebracht haben. Denn davon habe ich als Erwachsene mehr, als wenn ich jedes Jahr zum Muttertag nur Blümchen gepflückt hätte.

Leave a Comment

Filed under Damals, Sammelsurium

Erinnerungen (1) und Auswanderei

Zwei von mir sehr geschätzte Menschen sind daran „schuld“, dass es ab heute eine neue Kategorie hier im Blog gibt. Die Kategorie heißt „Damals“ und ich werde ab und zu Geschichten und Begebenheiten aus meiner Kindheit und Jugend erzählen.

Im Jahr meiner Geburt spielte Deutschland bei der Fußball-WM im Finale gegen die Niederlande. Ich saß beim Endspiel auf dem Schoß eines Kollegen meines Vaters. Sein Name war Antoon, und er stammte aus Zwolle in den Niederlanden. Meine Mutter erzählt gerne, sie habe irgendwann Angst um mich gehabt und habe mich gegen Ende des Spiels lieber wieder selbst festgehalten. Ihre Schilderungen dieser Szene sind so lebhaft, dass ich fast glaube, es sind meine eigenen Erinnerungen, die ich dazu in meinem Kopf habe.
Ich habe Antoon einige Jahre später wiedergesehen, und ich erinnere mich, dass er ein sehr freundlicher Mann war, der mich sicher niemals hätte fallen lassen, selbst wenn das Spiel 5:1 ausgegangen wäre.

Wenn mich jemand fragt, wann ich geboren bin, erzähle ich gerne die Geschichte davon, dass ich das Endspiel der 74er WM schon gesehen habe.
Darunter kann man sich auch im allgemeinen viel mehr vorstellen als wenn ich sagen würde, dass ich ein Jahr vor der Gründung der Industrial Vehicles Corporation (besser bekannt unter dem Namen Iveco) geboren wurde, oder in dem Jahr, in dem die Unimog-Baureihe 425 vorgestellt wurde. Wer mich ein bisserl kennt, wird sich über den Hinweis auf diese Eckpunkte der LKW-Geschichte wohl nicht wundern. Ich glaube allerdings, dass meine Begeisterung für Nutzfahrzeuge wenig bis nichts mit den genannten Geschehnissen zu tun hat. Sonst müssten ja alle Menschen meines Jahrgangs ein Faible dafür haben.

Ich bin am Stadtrand von München aufgewachsen, mit dem großen Glück, immer einen Garten zu haben, und auch einen Wald fast direkt am Haus. Ich hatte also irgendwie beides, die Freiheit des Draußenseinkönnens, und das Großstadtflair.
Eine Zeitlang war es irgendwie „in“, eine schreckliche Kindheit gehabt zu haben. Selbst mit viel Phantasie könnte ich das für meine Kindheit nicht sagen. Ja, manchmal fühle ich mich ein wenig entwurzelt, weil wir bis zu meinem 14. Geburtstag fünf Mal umgezogen sind, und ich jedes Mal Vertrautes zurücklassen musste, aber andererseits habe ich gelernt, mich an neuen Orten schnell zurechtzufinden und habe, wenn auch keinen Einzelort als Heimat, viele Flecken, an denen ich mich zuhause fühle. Und: ich spreche neben Hochdeutsch vier Dialekte, wenn auch nicht mehr alle perfekt, wie meine beste Freundin aus oberpfälzer Zeiten nicht müde wird zu betonen.
Eine leichte Ruhelosigkeit habe ich bis vor gut zehn Jahren auch behalten. Ich habe in Bremen studiert, war dann in London, immer unterwegs, und mit Sesshaftigkeit konnte ich lange nichts anfangen. Das hat sich aber geändert. Seit zwei Jahren bin ich stolze Hausbesitzerin, und habe mein Zuhause gefunden. Ich reise nach wie vor gerne, ich mag es, Neues auszuprobieren und kennen zu lernen, aber ich muss nicht mehr alle paar Jahre umziehen, um mich wohlzufühlen.

Oft werde ich gefragt, warum ich denn nicht auswandern würde. Zum einen, weil ich in England ein bisserl Heimat habe und Englisch wie Deutsch spreche, zum anderen, weil es mir in Island und Schweden gut gefällt und ich immer wieder dort hinfahre. Viele Menschen, mit denen ich übers Auswandern spreche, suchen anderswo das Glück, das sie meinen, hier nicht finden zu können. Es gibt sicher Probleme, die man in Deutschland hat, die es anderswo so nicht gibt. Dafür gibt es aber andere Probleme und Herausforderungen. Und das, was man selbst in sich trägt, nimmt man immer mit, egal, wohin man geht. Insofern hängt mein persönliches Glück nicht nur davon ab, wo ich wohne, und welche Sprache um mich herum gesprochen wird, sondern davon, wie es mir geht und wie ich mit meiner Umwelt klarkomme. Ich muss nicht auswandern, um glücklich und zufrieden zu sein. Ich kann mich auch einfach in meinen oberhessischen Garten setzen, einen selbstgemachten Apfelwein trinken und dabei ein englisches, schwedisches oder isländisches Buch lesen.

Apropos Garten, der wird sich in nächster Zeit wieder einmal verwandeln, denn wir bekommen endlich wieder eine große Scheune, die früher zum Anwesen gehörte, aber irgendwann abgerissen worden war. Jetzt bauen wir neu, und darüber werde ich hier sicher auch berichten. Alles jedoch zu seiner Zeit.

1 Comment

Filed under Damals, Sammelsurium