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Treibholz

Einmal im Jahr, meist in der Weihnachtszeit, lese ich um die 50 Reise- und Aussteigerblogs. Das tue ich als Jurymitglied für ein Onlinemagazin und dann gibt es irgendwann im Januar die große Preisverleihung und es ist wieder Ruhe bis zum nächsten Mal.
Manche Blogs, die auf die Shortlist kommen, lese ich auch außerhalb der Bewertungsphase ab und zu, aber die wenigsten sind für mich so interessant, dass ich ihnen regelmäßig folge. Da gibt es in der weiten Bloggerwelt ganz andere Themen, die ich spannend finde.
Nicht, dass ich nicht gerne verreise. Ich fahre gern in den Urlaub, und ich komme gern wieder nach Hause. Aber alle Zelte abzubrechen, „endlich frei zu sein“, in einem Auto zu leben und durch die Welt zu reisen, das reizt mich nicht. Die Freunde dieses Lebensstils nennen mich mitunter langweilig, ängstlich, festgefahren, unflexibel. Damit kann ich leben.
Was mir dieses Jahr bei vielen Blogs neben dem austauschbaren Design auffiel, war, dass zwar überall von der Freiheit und der großen Zufriedenheit geschrieben wird und davon, dass man sich einfach nur treiben lasse, aber dass doch der Eindruck entsteht, das „treiben lassen“ sei doch eher ein „getrieben sein“.
Bloß niemals stillstehen, immer weiter, immer wieder neue Fotos, Geschichten, Erlebnisse, abonniert unseren Newsletter, kauft unser Buch, besucht unseren Vortrag, nehmt an unserem Webinar teil, verpasst keine Sekunde unseres Lebens. So ziehen sich die Aufforderungen an uns Leserinnen und Leser durch die Blogs.
Ist das denn tatsächlich Freiheit, wenn ich mir jeden Tag Gedanken mache, wo ich das nächste offene Wlan finde, um Dutzende Bilder hochladen zu können? Wenn ich in Foren um Klicks betteln gehe, weil meine Sponsoren erwarten, dass täglich x Besucher auf meine Seite kommen? Wenn ich immer und immer wieder betonen muss, wie wunderbar das doch ist, endlich weg zu sein vom tristen Alltag?
Aber auch auf Reisen gibt es ihn, den Alltag. Und auch auf Reisen gibt es mich selbst, mit all meinen Wünschen, Träumen, Hoffnungen und Problemen. Ich lasse mich ja nicht zurück, wenn ich meine Wohnung aufgebe und nur noch eine Handvoll Bücher und Klamotten mitnehme. Ich lasse mich nicht zurück, wenn ich in Schwierigkeiten komme und diese lösen muss. Wenn ich Menschen treffe und mit diesen klarkommen muss.
Ich gönne jedem die Erfüllung seines Lebenstraums. Wenn der Lebenstraum das Reisen und Weg-sein ist, dann ist das gut und richtig für denjenigen. Aber von der großen Romantik ist zwischen den Zeilen oft nicht mehr viel übrig. Und wir, die wir zuhause bleiben und nur ein paar Wochen im Jahr unterwegs sind, verpassen wir tatsächlich etwas? Müssten wir nicht auch losfahren, um frei zu sein?
Irgendwann bloggte ich schon einmal in einem kleinen Absatz darüber, dass Freiheit etwas ist, das im Kopf beginnt. Nur, weil wir ein Haus haben, bedeutet das nicht, dass wir nicht frei sein können. Ja, wir sind in gewisser Weise gebunden. Aber für mich ist das genau richtig. Ich war jahrelang unterwegs, bin ständig umgezogen, habe immer wieder neue Jobs gehabt, habe mich gesucht und gefunden und wieder verloren und bin jetzt an dem Punkt, wo ich sagen kann, mein persönliches Stück Treibholz ist hier hängengeblieben, in dieser Region, an unserem krummen Fachwerkhäuschen, mit diesem einen besonderen Menschen, und ich fühle mich hier so wohl und so frei wie schon lange nicht mehr.
Ich werde auch beim nächsten Mal gerne wieder Jurymitglied sein und Geschichten vom Reisen und von der Freiheit lesen. Aber ich brauche keine Aufforderung, auch so zu leben und nur so zur Zufriedenheit zu kommen.
Denn das ist Kopfsache, und mein Kopf ist immer dabei, wohin ich auch gehe.

Frohes neues Jahr!

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Filed under Haus, Landleben, Meinung, Sammelsurium

Verantwortung und Vertrauen

Ich schreibe hier kein politisches Blog. Der heutige Beitrag wird Spuren von Politik enthalten, das bringt das Thema so mit sich. Wer Beiträge zu politischen Themen sucht, wird bei meinem Freund Jens fündig, und kann mich dort auch ab und zu in den Kommentaren lesen: http://blog.jens-bertrams.de/

Genug der Vorrede.

Vergangenen Sonntag haben wir in Hessen gewählt. Oder anders gesagt, manche Menschen haben gewählt, viele sind zuhause geblieben. Ich war am Wahltag gar nicht im Lande und hatte auch die ersten Hochrechnungen nicht verfolgt, bis ich abends auf der Heimfahrt von einer Twitterfreundin gesagt bekam, ich solle am besten wieder umdrehen und nicht nach Hessen fahren, man könne ja nur noch auswandern. Hoppla, dachte ich, und schaute dann doch mal beim HR nach den ersten Zahlen.
Für mein Dorf waren die ziemlich unspektakulär, CDU vorne dran, die Grünen haben Federn gelassen, ansonsten kaum erwähnenswertes. Allerdings trat auch keine Partei aus dem rechten Spektrum fürs Gemeindeparlament an. Für den Kreistag gab es dann doch auch aus meinem Dorf einige Stimmen für die rechte Seite, und in vielen Regionen Hessens war das so und viele machten ihrer Sorge und ihrem Unmut darüber bei Twitter Luft (da ich nicht bei FB bin, kann ich dazu nichts sagen, vermute aber, dass es dort ähnlich war).

Nun bin ich natürlich über solche Ergebnisse auch nicht glücklich, aber jetzt in Panik zu geraten und die Koffer zu packen und auszuwandern käme mir nicht in den Sinn. Ich möchte weiterhin in meinem direkten Umfeld Verantwortung für mich und die Gesellschaft übernehmen. Für die Gesellschaft, in der ich leben möchte. Dazu gehört auch, nicht nur in den paar Wochen vor und nach der Wahl Interesse zu zeigen an dem, was in der Politik passiert, sondern immer wieder nachzufragen, mich zu informieren, mit meiner Meinung präsent zu sein, und mich aktiv für ein gutes Miteinander einzusetzen.

Heute morgen fuhr ich mit dem Bus zum Bahnhof. Im Bus zwei Siebzehnjährige, die ich vom Sehen aus dem Dorf kenne. Beide oft „auf Krawall gebürstet“, beide noch suchend, wo ihr Platz sein könnte. Heute ging ihr Gespräch auf einmal um das Thema Flüchtlinge, und sie schaukelten sich argumentativ gegenseitig hoch, bis zur Aussage, wenn „die Flüchtlinge kämen und Alarm machten“, dann könne man „die Kinder ja nicht mehr rauslassen“. Da ist mir der Kragen geplatzt und ich sprach sie an und sagte, dass ich diese Haltung befremdlich fände und dass ich mir wünschen würde, sie würden sich informieren, anstatt Vorurteile zu pflegen, und dass es Fakten gäbe, die ihrer Sorge entgegen stünden. Sie antworteten mir nicht, schienen mir auch nicht gerade freundlich gesonnen, aber ich konnte das einfach nicht stehenlassen. Immerhin gehören die beiden zu einer Gruppe Menschen, die später mal wählen und Verantwortung übernehmen können.

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Pflichtbewusstsein und Verantwortung groß geschrieben wurde. So groß, dass ich mir manchmal gewünscht habe, es wäre etwas weniger gewesen. Man kann sich leicht selbst verlieren in dieser Welt, aber ich bin da für mich auf einem guten Weg. Was ich außerdem mitgenommen habe, ist, dass es mit Verantwortungsgefühl alleine auch nicht geht. Ich brauche Vertrauen. Vertrauen, das ich anderen entgegen bringe, Vertrauen, das andere in mich setzen, Vertrauen darauf, dass ich mit dem, was ich sage und tue, einen Eindruck hinterlasse in der Welt und dass es eben nicht egal ist, ob ich wählen gehe oder nicht, ob ich gegen Strömungen in der Gesellschaft aufstehe oder nicht.
Dieses Vertrauen habe ich immer noch. Ja, manchmal bekomme ich verbal eins aufs Dach, weil ich mich wieder aus dem Fenster gelehnt habe, weil ich etwas gesagt habe in einer Situation, in der alle anderen geschwiegen haben, weil ich unbequem war und mich nicht herumschubsen ließ. Das ist aber okay, damit kann ich leben.

Ich halte mich nicht für einen politischen Menschen. Ich bin kein Mitglied einer Partei. Sieht man mal von der Zeit in London ab, als ich enge Kontakte zur Socialist Workers Party hatte, diskutierte und Flugblätter schrieb und auf Demonstrationen ging und einmal nur knapp einer Verhaftung entkam, aber das ist eine andere Geschichte.
Wahlen ändern nichts, sagen manche. Und einige sagen jetzt nach den Kommunalwahlen in Hessen, dass wir uns auf einem schlechten Weg befinden, dass sich die Geschichte wiederholt, dass die Nichtwähler irgendwie schuld seien, oder doch die etablierten Parteien, und überhaupt.

Es mögen sich schlauere Menschen als ich den Kopf zerbrechen über „Schuld“ – sofern es die in diesem Zusammenhang überhaupt gibt. Für den Alltag bringt das aus meiner Sicht auch wenig. Was aber etwas bringt, ist, offen zu sein und aufmerksam für das, was passiert, und bei dem, was einem nicht gefällt und was wegführt von Freiheit und Akzeptanz, dagegen zu argumentieren und präsent zu sein. Ich kann andere Leute nicht ändern. Die sind, wie sie sind. Aber ich kann mich entscheiden, wie ich sein möchte und wie ich anderen begegnen möchte. Wenn ich Toleranz und Offenheit will, suche ich sie nicht bei anderen, sondern übernehme für mich selbst und mein Verhalten Verantwortung und handle entsprechend.

Falls bei Ihnen/Euch, liebe Leserinnen und Leser, der Eindruck entstanden sein sollte, dass mir das alles immer gut gelingt: nein, ich habe auch Tage, an denen ich alles andere als tolerant bin, an denen ich auch mal unhöflich bin oder schlicht doof, und ich bin die Letzte, die sagt, dass das alles einfach ist.
Aber ich bin Optimistin und mein Vertrauensspeicher ist noch lange nicht leer.

Nicht zuletzt deshalb, weil ich immer wieder erlebe, dass es auch andere Menschen gibt, denen es nicht egal ist, was passiert und wie wir miteinander umgehen.

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Kleines Jubiläum – 28.12.

Am 2812.2011 erblickte dieses Blog das Licht der Welt.

Damals wusste ich noch gar nicht so recht, was ich eigentlich schreiben wollte, und wie regelmäßig, und für welche Zielgruppe – also genau so, wie man’s ja nicht machen soll 😀

Bin ich heute schlauer? Nun ja, heute weiß ich, dass ich es nicht immer schaffe, regelmäßig zu schreiben, dass ich aber immer wieder Spaß daran habe und zumindest in nächster Zeit nicht damit aufhören werde.

Wer meine Zeilen hier liest, erfahre ich manchmal durch Kommentare und Sterne/Herzen bei Twitter, seltener durch Kommentare hier im Blog, und noch seltener durch die ein oder andere E-Mail. Ich könnte natürlich meine Statistiken noch genauer anschauen, und mir ganz viele Gedanken machen, aber da ich hier einfach nur bin, ist das nicht nötig.

Apropos einfach nur sein, ich erlebe es immer wieder, dass Menschen mich fragen, warum ich mir denn ein Haus (inkl. renovierungsbedürftiger Nebengebäude) ans Bein gebunden hätte, warum wir nicht unseren Laster zum Fernreisemobil umbauen und aussteigen würden, warum wir nicht auswandern würden, ob ich denn nicht frei sein wolle.

Frei sein ist bei den Menschen, die mich das fragen, oft ein ziemlich romantisches Konzept und auf ihren eigenen Standpunkt bezogen. Ich fühle mich durchaus frei, denn wir haben zwar das Haus, aber es hat uns niemand gezwungen, es zu kaufen und herzurichten, sondern wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden. Ich fühle mich hier wohl. Und Freiheit beginnt auch im Kopf. Ich bin frei, weil ich meine Onlineaktivitäten nicht zum Geldverdienen betreibe, weil ich hier mal schreiben kann und mal nicht, ganz wie es mir gefällt und wie es gerade zu mir und dem „Offlineleben“ passt.

Ich fühle mich frei, weil ich so viele Möglichkeiten habe, meine Ideen und Hobbys auszuleben – natürlich hätte ich gerne viel mehr Zeit zum Musikmachen, zum Stricken, zum Faulenzen, zum Lasterschrauben… aber es ist gut so, wie es ist.

Wir haben ein paar wunderschöne Weihnachtstage verlebt. Wir hatten (und haben) eine Menge zu essen, genug Feuerholz, tolle Menschen um uns herum, und in wenigen Tagen beginnt ein neues Jahr und ich habe mir nichts vorgenommen.

Außer, weiterhin zu sein – mal glücklich, mal traurig, mal fröhlich, mal nachdenklich, und zufrieden.

Da ich heute noch nicht weiß, ob ich dieses Jahr noch einmal blogge, wünsche ich allen schon einmal einen guten Start ins Jahr 2016 und freue mich darauf, wenn auch nächstes Jahr ein paar Klicks auf dieser Seite zu verzeichnen sind.

 

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